06. Oktober 2011

Keine Kluft zwischen Gestern und Morgen

Mit Projekten wie dem kürzlich eröffneten Macro-Museum in Rom hat Odile Decq architektonische Visionen realisiert, die Vergangenheit und Zukunft unter einem Dach vereinen. Die französische Architektin und Stadtplanerin bekennt sich dabei zu einer zeitgenössischen Ästhetik, die gleichermaßen auf Kontinuität und auf Kontrast setzt. 1996 gewann sie den Goldenen Löwen der Internationalen Architekturbiennale in Venedig

Odile Decq führt das international tätige Büro ODBC architectes urbanistes ... [Bild: Zumtobel Lighting GmbH]

... und leitet seit 2007 die École Spéciale d’Architecture in Paris [Bild: Zumtobel Lighting GmbH]

1996 gewann sie den Goldenen Löwen der Internationalen Architekturbiennale in Venedig [Bild: Zumtobel Lighting GmbH]

Seit dem Tod ihres Partners Benoît Cornette führt sie das international tätige Büro ODBC architectes urbanistes weiter und leitet seit 2007 die École Spéciale d’Architecture in Paris. Ihre signifikante architektonische Sprache entwickelt Odile Decq auf der Basis der Analyse von Vorgefundenem, das sie durch ihre Interventionen ergänzt und auf die Zukunft öffnet.



Ein Gespräch mit Odile Decq:

    Madame Decq, Ihr Architekturbüro liegt im Marais-Viertel im Zentrum von Paris. Ist diese historische Umgebung eine Inspirationsquelle für Sie?
Odile Decq: Seit mehr als 30 Jahren lebe und arbeite ich nun in Paris. Es ist für mich sehr wichtig, dabei mitten im Stadtzentrum zu sein. Die historische Umgebung selbst hat in meinen Augen keine Relevanz, es ist vielmehr die Lage. Alles hier im Zentrum ist nah und wir sind bestens vernetzt was die Verkehrsmittel und die Bewegungsabläufe innerhalb der Stadt anbetrifft. Unsere heutigen Büroräume habe ich vor 18 Jahren gefunden, früher einmal war hier eine Werkstatt für Kupferrohre – im 18. und 19. Jahrhundert gab es viele solcher Werkstätten in dieser Gegend. Heute werden sie oft von Architekturbüros genutzt, deshalb gibt es eine ganze Menge von ihnen im Marais.

    Gibt es so etwas wie ein persönliches Vorbild historischer Architektur in Ihrer Umgebung?
Odile Decq: Für mich ist das Centre Pompidou bereits Teil der Geschichte. Als es vor über 30 Jahren gebaut wurde, studier¬te ich noch Architektur. Ich erinnere mich gut, dass der Neubau unseren Blick auf moderne Architektur grundsätzlich änderte. Er zeigt wirklich die Grenze zwischen der Geschichte und Tradition einerseits und einem Neuanfang andererseits auf. Für die Gesellschaft war das Centre Pompidou sicherlich ein großer Schock, eine Art sensationeller Paukenschlag, der ungeahnte neue Möglichkeiten für den Stadtraum aufzeigte.

    Ihre Entwürfe sind bekannt für eine signifikante zeitgenössische Ästhetik. Welche Bedeutung kommt den Parametern Kontinuität und Kontrast dabei zu?
Odile Decq: Kontinuität verhandelt die Frage, wie Gebäude in einen bestimmten Kontext eingeschrieben sind. Das bedeutet, dass sie nur für einen speziellen Ort entworfen sind und nicht transferiert oder einfach anderswo gebaut werden können. Das Macro-Museum in Rom zum Beispiel interpretiert die Kontinuität mit der Stadt auf eine zeitgenössische Art und Weise. Die Stadt geht in das Gebäudeinnere über, sie breitet sich im Foyer und auf der Terrasse aus. Die Strukturen des Gebäudes lassen also Kontinuität zu, doch sie organisieren den Raum auf eine neue Art und Weise, nämlich zeitgenössisch. Meiner Meinung nach steht Kontinuität auch in Relation zum menschlichen Körper und zu seinen Bewegungsmustern. Sie ist keine Kategorie der formalen architektonischen Sprache, sondern betrifft die Organisation von Räumen und Gebäudekörpern. Der Kontrast hingegen bezieht sich auf die Frage, wie man etwas Zeitgenössisches in einem historischen Kontext entwickelt. Neubauten, die in den Bestand gefügt werden, kontrastieren immer, egal wo sie stehen.

    Wenn Gebäude einen Dialog mit ihrem urbanen Kontext eingehen, wo liegen dann die Qualitäten, die zeitgenössische Architektur bieten muss?
Odile Decq: Das kann ich nicht generell beantworten, weil der Dialog immer von dem vorgegebenen Kontext des Baugrundstücks abhängt. Deshalb versuche ich in Entwurfsprozessen zu verstehen, was die Stadt ausmacht, wer dort lebte, wie sich die Stadt entwickelt hat und wie ich diese Entwicklung auf neue Art und Weise fortsetzen kann. Die Herausforderung ist dabei, neue Wege zu erschließen, die in die Zukunft führen.

    Dann gehört die Analyse zu Ihrer Entwurfsmethode?
Odile Decq: Das stimmt, ich analysiere sehr viel. Ziel ist dabei, ein Programm und ein Bild für neue Gebäude zu entwickeln. Dabei steht die Frage nach Form und Gestalt nicht im Vordergrund. Erst muss man die Strukturen eines Ortes ergründen.

    Ist der Bezug zur Vergangenheit Ihrer Meinung nach wichtig, um zukünftige Städte zu bauen?
Odile Decq: Auf jeden Fall. Es gibt keine Kluft zwischen gestern und morgen. Beides ist in einem kontinuierlichen Fluss miteinander verbunden.

    Umbauten, Erweiterungen und Sanierungen werden immer wichtiger in der Architektur. Was halten Sie von diesem neuen Aufgabenfeld?
Odile Decq: Mit dem Macro-Museum in Rom habe ich entscheidende Erfahrungen auf diesem Feld gemacht. Das frühere Brauereigebäude war zwar aus dem 20. Jahrhundert, das ist für eine Stadt wie Rom nicht wirklich alt. Trotzdem mussten wir die Fassade erhalten. Also haben wir die Außenwand wie einen Screen stehengelassen und einen neuen Gebäudekörper dahinter gesetzt. Ich hielt das nicht für sinnvoll – in Frankreich gibt es sogar einen Begriff für diese Methode, wir nennen das „Fassadisme“. Trotzdem war an diesem Punkt nicht zu rütteln. Viele Leute haben heutzutage Angst vor zeitgenössischer Architektur und wollen stattdessen alles erhalten.

     In Frankreich gab es das Phänomen der Avantgarde. Glauben Sie, dass avantgardistische Ideen in der Architektur auch heute noch eine Chance haben?
Odile Decq: Die Avantgarde ist eine historische Bewegung,in Frankreich wird heute sicher keine avantgardistische Architektur mehr gebaut. Vielleicht gab es einmal eine Phase in den 1970er Jahren und später die Ära der Grands Projets, die zumindest frischen Wind in die Architektur brachten. Aber wirklich avantgardistisch war das nicht. Ich glaube, es gibt heute keine Avantgarde mehr, weil Architekten zu nahe an der Macht sind.

    Woher nehmen Sie selbst Ihre Entwurfsideen?
Odile Decq: Für mich geht es in der Architektur darum, über die Zukunft nachzudenken, zu träumen, die Wege des Lebens von morgen zu erkunden und Häuser für die Zukunft zu bauen. Diese mögen heute noch nicht akzeptiert sein, doch sie werden sich in der Welt von morgen beweisen.

    Welche Rolle spielen technische Innovationen für ihre Arbeit?
Odile Decq: Es ist ganz entscheidend, neue Werkzeuge zu entdecken, mit denen wir neue Gebäude erfinden und das Bauen selbst verbessern können. Manchmal ist der Prozess, Bauherren, Hersteller und Controller von Innovationen zu überzeugen, nicht einfach. Aber es ist fantastisch, wenn er am Ende gelingt.

    Architektur wird immer wieder zur Leitdisziplin unserer Zeit ausgerufen. Können Sie diesen Standpunkt teilen?
Odile Decq: Da bin ich mir sicher. Architekt zu sein, ist ein Beruf, in dem man vorausdenken und über lange Zeitphasen an einer Idee festhalten muss. Architekten müssen an morgen denken, neugierig auf die Welt jenseits unseres heutigen Horizonts sein und erkunden, wie sich die Gesellschaft entwickeln wird. Ein Architekt baut nie für heute, er baut für die Zukunft. Deshalb ist Architektur auch eine der wenigen Disziplinen, die dazu beitragen kann, die Welt von morgen zu erschaffen.




 
 

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